Alzheimer & Co.: Millionenförderung für Forschung zum Energiemanagement von Nervenzellen

Wissenschaftlerin verfolgt neue Idee zur Rolle von Tau-Proteinen

Berlin, 23. November 2023. Susanne Wegmann, PhD, Biophysikerin am Berliner Standort des DZNE, erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen prestigeträchtigen Consolidator Grant in Höhe von rund 2,2 Millionen Euro, um zu untersuchen, ob sogenannte Tau-Proteine für den Energiehaushalt von Nervenzellen eine bislang ungeahnte Bedeutung haben. Das fünfjährige Forschungsprojekt könnte Ansätze für neuartige Therapien gegen Alzheimer und andere Hirnerkrankungen auftun.

Tau-Proteine kommen in jeder Nervenzelle natürlicherweise vor: Sie stabilisieren für gewöhnlich das Zellgerüst, über welches für den Stoffwechsel der Zelle wichtige Substanzen transportiert werden. Doch bei Alzheimer und anderen Hirnerkrankungen lösen sich Tau-Proteine vom Zellskelett, ihre Verteilung innerhalb der Zelle verändert sich und sie verkleben zu winzigen Klumpen: Mechanische Struktur und Funktion der Zelle werden infolgedessen beeinträchtigt, letztlich geht sie daran zu Grunde. „Diesen Geschehnissen, die zum Tod von Nervenzellen führen, gehen andere Prozesse voraus, welche die Situation überhaupt erst eskalieren lassen. Das ist eine Art Domino-Effekt. Gegen Ende kommt Tau ins Spiel. Dieses Protein wird dann zum Henker und versetzt der Nervenzelle den Todesstoß. Dabei ist Tau eigentlich ein Helfer und wichtig für den Normalbetrieb der Zelle. Diesen Rollenwechsel von Tau zu verstehen, ist essenziell, um es als Ziel für Therapien zu entwickeln“, erläutert Susanne Wegmann. Die promovierte Biophysikerin sieht hier Potenzial für neuartige Ansätze: „Ich vermute, dass Tau-Proteine für das Energiemanagement von Nervenzellen eine bislang ungeahnte Rolle spielen und sich aus dieser Funktion neue Behandlungsoptionen ergeben könnten.“

Energiesparprogramm

Wegmanns Hypothese stützt sich auf Befunde sowohl im Krankheitsfall als auch im gesunden Organismus. Bei Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen häufen sich Tau-Proteine in Bereichen einer Nervenzelle an, wo sie normalerweise kaum vorkommen. „Man beobachtet eine Um- beziehungsweise Fehlverteilung von Tau auch bei Epilepsie, Kopfverletzungen oder nach einem Schlaganfall. Das ist also möglicherweise eine Reaktion auf physiologischem Stress“, sagt Wegmann. „Außerdem ist nachvollziehbar, dass in solchen Situationen der Stoffwechsel und energieaufwändige Prozesse heruntergefahren werden, damit sich der Organismus erholen kann.“ Tatsächlich findet man das im Zusammenhang mit Tau: Bei Säugetieren, die Winterschlaf halten, werden die Tau-Proteine innerhalb von Nervenzellen umverteilt. Allerdings geht das nicht so weit, dass Schäden entstehen. „Diese und weitere Befunde sehe ich als Indizien dafür, dass die Umverteilung der Tau-Proteine Bestandteil eines Energiesparprogramms von Nervenzellen ist“, so die DZNE-Forscherin.

Manpower und Hightech

Mit einem etwa 6-köpfigen, internationalen Team und einer Palette hochmoderner Methoden der Mikroskopie und Genetik möchte Wegmann dieser Hypothese nachgehen. Die Forschenden werden dazu tief in den Stoffwechsel von Nervenzellen eintauchen und Zellkulturen sowie Hirngewebe von Menschen untersuchen, die mit Alzheimer verstorben sind. „Wenn sich herausstellt, dass die Umverteilung von Tau tatsächlich einer Art Energiebremse gleichkommt, wäre das nicht nur für Alzheimer bedeutsam, sondern auch für Frontotemporale Demenz und weitere sogenannte Tauopathien, bei denen sich Tau-Proteine gewissermaßen fehlverhalten“, so Wegmann. „Damit würden sich ganz andere therapeutische Möglichkeiten auftun, als man sie bisher für Tau verfolgt hat. Ein Ansatz könnte zum Beispiel sein, den Stoffwechsel des Gehirns medikamentös anzukurbeln, um der Energiebremse und damit der Fehlverteilung von Tau entgegenzuwirken. Vorab müssen wir aber erstmal die Rolle von Tau für das Energiemanagement von Nervenzellen aufklären. Das haben wir uns für die nächsten Jahre vorgenommen.“

Über das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE): Das DZNE ist ein Forschungsinstitut für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und ALS, die mit Demenz, Bewegungsstörungen und anderen schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Gesundheit einhergehen. Bis heute gibt es keine Heilung für diese Erkrankungen, die eine enorme Belastung für unzählige Betroffene, ihre Familien und das Gesundheitssystem bedeuten. Das DZNE hat zum Ziel, neuartige Strategien der Vorsorge, Diagnose, Versorgung und Behandlung zu entwickeln und in die Praxis zu überführen. Es hat bundesweit zehn Standorte und kooperiert mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen im In- und Ausland. Das DZNE wird staatlich gefördert, es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung.

Medienkontakt

Dr. Marcus Neitzert
Presse
marcus.neitzert(at)dzne.de
+49 228 43302-267

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