Schleichend zum Vergessen

Nach aktuellen Hochrechnungen leben in Deutschland zurzeit rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Der Großteil von ihnen ist von der Alzheimer-Krankheit betroffen – mit steigender Tendenz: Morbus Alzheimer, so der fachliche Name der bekanntesten und häufigsten Demenz-Erkrankung, ist eine Krankheit, die meistens erst im Alter bemerkbar wird. Nur selten sind Betroffene jünger als 60 Jahre. Dabei beginnt die Alzheimer-Erkrankung pathobiologisch Dekaden vor dem Auftreten der ersten Gedächtnisdefizite – d.h. sie entsteht im Gehirn, lange bevor erste Symptome deutlich werden. Und je älter die Bevölkerung wird, umso mehr wächst die Zahl der Alzheimer-Patientinnen und -Patienten. Die Alzheimer-Krankheit wird so zu einer großen Herausforderung für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem – zumal noch immer keine wirksame Therapie zur Verfügung steht.

Zu den typischen Symptomen der Alzheimer-Erkrankung zählen Gedächtnisverlust, Orientierungslosigkeit, Unruhezustände, Sprachstörungen sowie Aggression und Enthemmung, auch herausforderndes Verhalten genannt. Diese Probleme sind bei den Betroffenen verschieden stark ausgeprägt. Sie verstärken sich im Verlauf der Erkrankung, außerdem kommen mit der Zeit weitere Beschwerden hinzu. Patientinnen und -Patienten haben zunehmend Schwierigkeiten, ihren Alltag zu meistern und sind daher immer stärker auf Hilfe und Unterstützung angewiesen.

Verlauf in drei Stadien

Die Alzheimer-Erkrankung schleicht sich langsam ein. Die Erkrankung beginnt bereits lange Zeit, bevor die ersten Symptome einsetzen. Irgendwann machen sich die ersten, vermeintlich harmlosen Aussetzer bemerkbar. Die betroffene Person wirkt fahrig und irgendwie schusselig. Sie wird vergesslich, verlegt Dinge, bringt ihre Sätze nicht zu Ende und kann sich auch sonst schlecht konzentrieren. Wirken sich diese zunächst leichten kognitiven Störungen im Alltag deutlich störend aus ─ und zwar über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten ─ sprechen Ärztinnen und Ärzte von einer Demenz.

In dieser ersten Phase wirken Betroffene häufig bedrückt: Die Veränderungen lösen Kummer, Angst und Scham aus. Daher lässt sich die Alzheimer Erkrankung in diesem Stadium nicht immer klar von einer Depression unterscheiden. Doch im Unterschied zu Depressiven haben viele Alzheimer-Betroffene Sprachstörungen und versuchen, ihre Ausfälle zu überspielen.

In der mittleren Phase leidet das Sprachverständnis zunehmend. Fähigkeiten wie Autofahren, berufliche Fertigkeiten oder das Orientierungsvermögen gehen nach und nach verloren. Neben dem Kurzzeitgedächtnis ist nun auch zunehmend das Langzeitgedächtnis in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem verändert sich verstärkt auch die Persönlichkeit der Betroffenen: Sie sind häufig nervös und rastlos, aber auch misstrauisch, gereizt und zuweilen enthemmt oder aggressiv. Gegen Ende der dritten Phase gesellt sich eine große motorische Unruhe zu den Auffälligkeiten. Viele Patientinnen und Patienten beginnen rastlos zu wandern – ohne Orientierung, ohne ein Gefühl für Zeit.

Im Spätstadium der Erkrankung sind solche Wanderungen nicht mehr möglich. Betroffene werden mehr und mehr zu bettlägerigen Pflegebedürftigen. Sie können nur noch wenige Worte sprechen oder verstummen ganz. Kommunikation ist kaum noch möglich – am ehesten durchdringen Musik, Gerüche oder Gebete den Nebel des Vergessens.

Ungeklärte Ursachen

Die Symptome der Alzheimer-Erkrankung sind die Folge eines massiven Nervensterbens im Gehirn. Zunächst sind vor allem die Synapsen betroffen: Das sind die Verbindungsstellen, über die Informationen von einer Nervenzelle an die nächste weitergeleitet werden. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sterben dann Nervenzellen selbst ab – über weite Bereiche im Gehirn hinweg.

Im Zusammenhang mit diesem Nervenzellsterben sehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auffällige Eiweißablagerungen im Gehirn der Betroffenen. Diese Ablagerungen gelten als mitverantwortlich für den Tod der Nervenzellen: Sogenannte Beta-Amyloid-Proteine verklumpen und sammeln sich zwischen Nervenzellen an. Sie formieren sich zu jenen auffälligen Plaques, die bereits Alois Alzheimer im Gehirn von Auguste Deter entdeckt hatte. Diese Ablagerungen führen zu einer entzündlichen Reaktion umgebender Immun- und Gliazellen, die auf unterschiedliche Weise die Krankheitsprozesse vorantreiben. Schließlich kommt es zu Bildung von Tau-Fibrillen in den Nervenzellen, welche die Nervenzellen in ihrer Funktion beeinträchtigen und zu ihrem Zelltod beitragen. Weshalb sich diese Eiweißmoleküle bei Alzheimer-Patientinnen und -Patienten verändern, ist nicht endgültig geklärt.

Die Alzheimer-Krankheit kann genetisch bedingt sein. Das ist jedoch äußerst selten und betrifft nur rund drei bis fünf Prozent aller Fälle. Bisher sind drei Gene bekannt, die für diese Form verantwortlich sind. Sind sie verändert, bricht die Alzheimer-Erkrankung in jedem Fall aus – und zwar in der Regel sehr früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr.

Verstehen – erkennen – heilen: Alzheimerforschung am DZNE

Forscherinnen und Forscher des DZNE widmen sich der Alzheimer-Erkrankung aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. So wollen sie die Mechanismen hinter dieser Demenz besser verstehen: Sie suchen nach den genauen Ursachen für die Veränderungen im Gehirn der Betroffenen und wollen aufklären, in welcher Weise die auffälligen Eiweißablagerungen die Nervenzellen schädigen. Außerdem untersuchen sie, welche Rolle Entzündungsprozesse im Gehirn für die Krankheit spielen.

Andere Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit den möglichen genetischen Ursachen der Erkrankung. Darüber hinaus erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DZNE auch andere Einflussgrößen, beispielsweise durch den Lebensstil: Welchen Einfluss haben etwa Ernährung und Bewegung auf die Erkrankung?

Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld am DZNE ist die Suche nach Ansatzpunkten für neue Therapien. Dabei geht der Blick jedoch nicht nur in Richtung zukünftiger Behandlungsmöglichkeiten, sondern richtet sich auch auf die Frage, wie sich Erkrankte durch geeignete Pflege- und Versorgungsmaßnahmen jetzt gezielt unterstützen lassen – um ihnen möglichst lange eine gute Lebensqualität zu erhalten.

Nicht zuletzt fahnden Forschende des DZNE nach sogenannten Biomarkern, typischen messbaren Veränderungen z. B. im Blut oder Nervenwasser, die als frühe Warnzeichen dafür dienen können, dass eine Person später an Alzheimer erkranken wird. Denn auch wenn es derzeit noch keine Heilung für die häufigste Form der Demenz gibt, ist doch bereits bekannt: Je früher eine Behandlung beginnt, umso erfolgreicher lässt sich das Fortschreiten des Krankheitsverlaufs verzögern.

Alois Alzheimer – der „Irrenarzt mit dem Mikroskop“

Es war 1901, als Alois Alzheimer, zu diesem Zeitpunkt Oberarzt in der „Anstalt für Irre und Epileptische“ in Frankfurt am Main, erstmals Auguste Deter begegnete, eine der bekanntesten Patientinnen in der Medizingeschichte. Die Frau war erst 51 Jahre alt, litt jedoch an einer ausgeprägten Verwirrtheit, wie sonst eher von sehr alten Menschen bekannt war. Alzheimer begleitete die Patientin über Jahre, untersuchte sie und dokumentierte ihren Krankheitsverlauf – selbst nachdem Deter in eine andere Klinik verlegt worden war.

„Ihr ganzes Gebaren trug den Stempel völliger Ratlosigkeit“, sagte Alzheimer später über die Frau. „Beim Lesen kommt sie von einer Zeile in die andere, liest buchstabierend oder mit sinnloser Betonung.“ Oft bekommt sie Schreianfälle, weil sie sich so sehr über ihre eigene Unfähigkeit ärgert. „Ich habe mich sozusagen verloren“, kommentierte Deter selbst  ihren Zustand.

Nach dem Tod der Patientin bekommt Alzheimer die Gelegenheit ihr Gehirn zu sezieren – ein Vorgehen, das damals noch unüblich war. Der „Irrenarzt mit dem Mikroskop“, wie ihn seine Zeitgenossen öfter nannten, erkannte, dass das Gehirn von Auguste Deter stark geschrumpft war. Außerdem entdeckte er auffällige Fasern und Ablagerungen im Denkorgan der Frau, die er mit der Erkrankung in Verbindung brachte – eine Vermutung, für die er damals verlacht wurde, die heute aber als erwiesen gilt.

Was ist Demenz?

Demenz ist keine einzelne Krankheit. Vielmehr fasst die Bezeichnung zahlreiche Erkrankungen zusammen. Die bekannteste Demenz ist die Alzheimer-Erkrankung.  

Der Begriff „Demenz“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie "Weg vom Geist" oder "ohne Geist". Das beschreibt den Kern einer Demenz recht gut: Es handelt sich um den fortschreitenden Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit. Betroffen sind das Gedächtnis, das Denken, die Konzentrationsfähigkeit, aber auch eine Reihe anderer Hirnleistungen sowie das Verhalten.

Grund für den Verlust der geistigen Fähigkeiten ist bei allen primären Demenzen ein fortschreitender Untergang von Nervenzellen im Gehirn. Die Ursachen dafür sind vielfältig und Gegenstand intensiver Forschung. Sogenannte Sekundäre Demenzen können als Folge von Erkrankungen, aber auch durch Medikamente oder Alkoholmissbrauch entstehen.

Primäre Demenzen sind nicht heilbar. Geeignete Therapien können jedoch ihren Verlauf verzögern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Werden sekundäre Demenzen rechtzeitig bekannt und behandelt, besteht manchmal eine Chance auf Heilung.

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