Veränderte Persönlichkeit und auffälliges Sozialverhalten

Die frontotemporale Demenz (FTD) ist eine seltene Form einer schnell fortschreitenden Demenz. Sie macht Schätzungen zufolge zusammen mit der Alzheimer-Demenz die Mehrzahl aller Demenzerkrankungen unter 65 Jahren aus. Kennzeichnend bei der FTD ist, dass Nervenzellen speziell im Stirnhirn (Frontallappen) und im Schläfenlappen (Temporallappen) untergehen. In diesen Gehirnbereichen werden wichtige Funktionen gesteuert: Zu den Aufgaben der Frontallappen gehören unter anderem das Sozialverhalten und die Verhaltenskontrolle, die Temporallappen sind unter anderem für das Sprachverständnis von Bedeutung. Im Vergleich zur Alzheimer-Demenz bricht die FTD früher aus: meist zwischen dem 45. und 65. Lebensjahr. Die Altersspanne bei der frontotemporalen Demenz ist jedoch breit: Die Erkrankung kann auch deutlich früher oder später auftreten – zwischen dem 20. und 85. Lebensjahr. Da die FTD häufig vor dem 65. Lebensjahr ausbricht, gehört sie zu den frühbeginnenden Demenzen. Männer und Frauen sind gleichermaßen häufig von der FTD betroffen.

Die Symptome sind von Patient zu Patient zum Teil sehr unterschiedlich – abhängig davon, in welchem Gehirnbereich Nervenzellen absterben. Bei der verhaltensbetonten Variante der frontotemporalen Demenz zeigen sich zuerst Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit: Anfangs wirken die Betroffenen oft unkonzentriert, desinteressiert und achtlos. Sie kommen Aufgaben nur noch eingeschränkt und ohne Sorgfalt nach. Viele ziehen sich zurück, vernachlässigen Familie und Freizeitinteressen, werden träge und gleichgültig. Im Sozialverhalten fallen viele durch Takt- und Empathielosigkeit auf. Gefühlsregungen können von den Betroffenen nicht mehr kontrolliert werden: sie sind enthemmt und distanzlos. Manche Patienten entwickeln ein auffälliges Essverhalten, viele lassen ihre Körperhygiene schleifen. Im weiteren Verlauf kann es zu sprachlichen Beeinträchtigungen wie Wortfindungs- und Grammatikstörungen oder Problemen beim Sprachverständnis kommen. Schließlich kommen Gedächtnisstörungen zum Krankheitsbild hinzu. Diese sind jedoch lange Zeit nicht so ausgeprägt wie bei der Alzheimer-Demenz. Die Veränderungen haben große Auswirkungen auf das tägliche Leben der Betroffenen und ihrer Familien.

Bei den sprachbetonten Varianten der frontotemporalen Demenz stehen Sprachstörungen im Vordergrund. Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens können sich dazugesellen. Mit der Zeit verlieren Betroffene beider Varianten zunehmend ihre Fähigkeit, im Alltag zurechtzukommen, einige werden bettlägerig und pflegebedürftig. Die Veränderungen variieren individuell und haben Auswirkungen auf das tägliche Leben der Betroffenen und ihrer Familien.

Eine Heilung ist bislang nicht möglich. Medikamentöse Therapien helfen, Verhaltensauffälligkeiten zu mildern. Dies ist auch das vorrangige Ziel nichtmedikamentöser Therapien. Erschwerend bei der FTD kommt hinzu, dass die Betroffenen nur wenig Krankheitseinsicht haben und sich für gesund halten – und dadurch Therapien verweigern.

Frontotemporale Demenz kann genetisch bedingt sein

Bislang ist nicht im Detail geklärt, wie es zum Untergang der Nervenzellen kommt. Es gibt drei verschiedene Proteine, die sich bei einer FTD in Nervenzellen ablagern können: Tau, TDP-43 und FUS.

Ein Teil der frontotemporalen Demenzen ist erblich bedingt und Fälle treten familiär gehäuft auf (familiäre FTD). Auch ein Teil der ohne familiäre Häufung auftretenden frontotemporalen Demenzen kann im Zusammenhang mit genetischen Veränderungen stehen. Insgesamt sind etwa 10-15% aller frontotemporalen Demenzen genetisch bedingt, v. a. die Verhaltensvariante. Andere, nicht erbliche Risikofaktoren kennt man bislang nicht.

Ursachen- und Therapieforschung am DZNE

Forschende des DZNE suchen nach den molekularbiologischen Ursachen für den Nervenzelltod bei frontotemporaler Demenz. Außerdem untersuchen sie den Zusammenhang zwischen Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und FTD. Zwischen diesen Erkrankungen gibt es fließende Übergänge, d.h., dass Verhaltenssymptome und kognitive Defizite bei einer ALS auftreten können oder dass sich Symptome einer ALS im Verlauf der FTD einstellen. Häufig wird die ALS auch zusammen mit der Verhaltensvariante, den Sprachvarianten und der PSP als Teil eines Spektrums klassifiziert Der ALS und einem Teil der Verhaltensvarianten liegen Veränderungen im C9orf Gen zugrunde.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DZNE wollen außerdem Parameter identifizieren, die Diagnose und Vorhersage des Krankheitsverlaufs ermöglichen. Für eine große FTD-Studie des DZNE werden daher fortlaufend und bundesweit Menschen mit (möglicher) FTD sowie deren blutsverwandte Angehörige gesucht, um Ursachen der Erkrankung zu erforschen. Damit sollen Voraussetzungen für effizientere und frühzeitigere Therapien geschaffen werden.

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der Expertinnen und Experten des DZNE sind therapeutische Maßnahmen wie psychosoziale Interventionen für die Pflege und Betreuung von Menschen mit frontotemporaler Demenz. Hier wird z.B. die Akzeptanz und Wirksamkeit einer videobasierten Beratung für pflegende Angehörige untersucht.

Morbus Pick

Der tschechische Psychiater und Neurologe Arnold Pick (1851–1924) beschrieb 1892 als erster die frontotemporale Demenz und grenzte sie von der Alzheimer-Demenz ab. Die Erkrankung wurde zunächst als Morbus Pick benannt, eine Bezeichnung, die heute nicht mehr gebräuchlich ist. Von einem seiner Patienten berichtet er, dass dieser „zu toben begonnen“ und die Ehefrau mit einem Messer bedroht habe – sonst war der Patient „in der letzten Zeit ganz kindisch, spielte mit Hosenträgern, Löffeln, …zeigt eine hochgradige Sprachstörung “.

Pick entdeckte, dass bei Menschen mit solch schweren Sprach- und Verhaltensstörungen Stirnhirn (Frontallappen) und Schläfenlappen (Temporallappen) geschädigt waren. Damit legte er einen entscheidenden Grundstein, um fortschreitende Demenzerkrankungen in der sogenannten Differenzialdiagnose (Krankheitsbestimmung durch Abgrenzung einer Erkrankung von Krankheiten mit ähnlichen Symptomen) voneinander zu unterscheiden.

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