Fachleute aus Europa kooperieren in der Parkinson-Forschung

Wissenschaftler des DZNE erhalten 541.000 Euro als Mitglieder eines internationalen Konsortiums zur Erforschung der Parkinson-Erkrankung. Der Verbund wird von der Europäischen Union, dem Dachverband der europäischen Pharmaindustrie und einer britischen Patientenorganisation unterstützt. Das Konsortium - genannt PD-MitoQUANT - wird Krankheitsmechanismen untersuchen, insbesondere die Rolle von Fehlfunktionen der Mitochondrien. Hierbei handelt es sich um die Kraftwerke der Zellen. Über dieses Projekt sprachen wir mit Prof. Donato Di Monte, Arbeitsgruppenleiter am Bonner Standort des DZNE.

Herr Di Monte, der Fokus dieses Projekts liegt auf den Mitochondrien. Was sind Mitochondrien?

Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle. Es sind winzige Kammern innerhalb der Zellen, in denen ein Molekül namens ATP produziert wird. ATP ist sehr energiereich und dient als zellulärer Treibstoff.

Wo treten Mitochondrien auf?

Mitochondrien gibt es in jeder Zelle, da jede Zelle Energie benötigt. Für Zellen des Gehirns und der Muskeln sind Mitochondrien jedoch besonders wichtig, da Nerven- und Muskelzellen viel Energie benötigen.

Ziel dieses Projekts ist es, neue Ansätze gegen die Parkinson-Krankheit zu finden. Warum konzentriert es sich dafür auf die Mitochondrien?

Die Parkinson-Erkrankung geht einher mit dem Absterben von Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen. Das gilt insbesondere für ein Areal namens „Substantia nigra“. Die betroffenen Zellen produzieren normalerweise den Botenstoff Dopamin, der für die Bewegungskontrolle unerlässlich ist. Weil diese Zellen absterben, sinkt der Dopamin-Spiegel. Infolgedessen leiden Menschen mit Parkinson an Bewegungsstörungen wie Zittern und Steifigkeit der Arme und Beine. Die Frage ist: Was verursacht den Tod dieser Nervenzellen? Es gibt Hinweise dafür, dass wahrscheinlich Fehlfunktionen in den Mitochondrien eine Rolle spielen. Diese Hinweise stammen aus verschiedenen Studien und Beobachtungen. Um ein Beispiel zu nennen: In den 1980er Jahren entwickelten Personen, die sich Drogen verabreicht hatten, die illegal synthetisiert wurden, Symptome von Parkinson. Wie sich herausstellte, enthielten diese Drogen eine Substanz namens MPTP. Sie ist ein mitochondriales Gift. MPTP tötet speziell Nervenzellen in der Substantia nigra, was darauf hindeutet, dass diese Zellen besonders anfällig sind für Fehlfunktionen der Mitochondrien. Andere Beobachtungen weisen in die gleiche Richtung. Etwa die Beobachtung, dass in den Gehirnen von Menschen mit Parkinson die Mitochondrien beeinträchtigt sind. Alle diese Befunde unterstützen die Vorstellung, dass Defekte in den Mitochondrien bei der Parkinson-Krankheit eine Schlüsselrolle spielen könnten.

Was ist mit den sogenannten Lewy-Körperchen, die sich in den Gehirnen von Menschen mit Parkinson ansammeln? Welche Rolle spielen sie bei dieser Krankheit?

Lewy-Körperchen sind anormale Proteinklumpen, die in den Hirnzellen von Patienten auftreten. Ihr Hauptbestandteil ist ein Protein namens „Alpha-Synuclein“. Seitdem der Zusammenhang zwischen der Aggregation, also Verklumpung von Alpha-Synuclein und den Lewy-Körperchen in den späten 1990er Jahren entdeckt wurde, ist viel dazu geforscht worden, wie Alpha-Synuclein Parkinson verursachen oder dazu beitragen kann. Trotz all dieser Bemühungen verstehen wir die Rolle von Alpha-Synuclein bei Parkinson immer noch nicht völlig. Insbesondere wissen wir nicht, ob es einen Zusammenhang zwischen diesem Protein und Fehlfunktionen der Mitochondrien gibt. Genau hier setzt das aktuelle Forschungsprojekt an. Wir wollen untersuchen, ob eine Verbindung besteht zwischen Störungen der Mitochondrien, der Verklumpung von Alpha-Synuclein und letztlich der Neurodegeneration. Sollte eine solche Verbindung gefunden werden, hätte dies wichtige Auswirkungen auf unser Verständnis der Parkinson-Erkrankung. Und es könnte den Weg für neue Therapien ebnen, die bei bestimmten Wechselwirkungen zwischen Alpha-Synuclein und Mitochondrien ansetzen. Parkinson hat eine fortschreitende Pathologie, was bedeutet, dass die Krankheitssymptome mit der Zeit immer schlimmer werden. Aktuelle Therapien können einige der Symptome der Parkinson-Erkrankung mildern, das Fortschreiten der Krankheit aber nicht aufhalten. Daher ist es dringend erforderlich, eine Behandlung zu finden, die diesen Prozess verlangsamt oder sogar stoppt. Das ist ein wichtiger Schwerpunkt von PD-MitoQUANT.

Was ist über Alpha-Synuclein unter gesunden Bedingungen bekannt?

Alpha-Synuclein ist ein synaptisches Protein. Das bedeutet, dass es im Bereich der neuronalen Synapsen reichlich vorhanden ist. Über die Synapsen kommunizieren Nervenzellen miteinander und es gibt Hinweise darauf, dass Alpha-Synuclein eine Rolle spielt für die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen. Möglicherweise ist es auch für die synaptische Plastizität von Bedeutung. Das bezieht sich auf die Anpassungsfähigkeit der Synapsen. Diese Anpassungsfähigkeit ist wichtig für das Lernen und für die Gedächtnisbildung. Noch bevor Alpha-Synuclein als Protein identifiziert wurde, das mit Parkinson zusammenhängt, gab es interessante Hinweise auf dessen Funktion. Sie stammten aus Studien von Singvögeln. Wenn diese Vögel singen lernen, steigt in deren Gehirnen der Alpha-Synuclein-Spiegel. Dies könnte mit der synaptischen Plastizität zusammenhängen. Alpha-Synuclein könnte an diesen Mechanismen sowohl während der Gehirnentwicklung beteiligt sein, als auch bei der ständigen Neuanpassung von Synapsen, die während des gesamten Lebens geschieht.

Aber warum sollte Alpha-Synuclein dann schädlich sein?

Ähnlich wie andere Proteine, die an Krankheitsprozessen beteiligt sind, scheint Alpha-Synuclein eine Art gespaltene Persönlichkeit zu haben, so wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Nur kennen wir leider nicht den oder die Schalter, die Alpha-Synuclein vom „good Guy“ zum „bad Guy“ wechseln lassen. Aber es gibt einige Hinweise. Eine der Schalter ist schlicht eine erhöhte Konzentration dieses Proteins innerhalb von Nervenzellen. Woher wissen wir das? Nun, es gibt Menschen, die in ihrem Genom Mutationen mit mehreren Kopien des Alpha-Synuclein-Gens aufweisen. Infolgedessen produzieren ihre Körper mehr Alpha-Synuclein. Diese Personen haben genau das gleiche normale Alpha-Synuclein wie alle anderen. Der einzige Unterschied ist, dass sie mehr davon haben. Und das reicht aus, um Symptome von Parkinson zu entwickeln. Wir wissen also, dass mehr Alpha-Synuclein als normalerweise für Nervenzellen eine erhebliche Belastung darstellt. Aber sicherlich gibt es andere Schalter, die Alpha-Synuclein pathologisch machen können. Dies könnte alles sein, was beispielsweise die Aggregation fördert, wie sie innerhalb der Lewy-Körperchen beobachtet wird. Ein weiterer möglicher Schalter könnte im Zusammenspielzwischen Alpha-Synuclein mit den Mitochondrien liegen.

Wie könnte dieses Zusammenspiel aussehen?

Da sowohl Mitochondrien als auch Alpha-Synuclein an den Synapsen vorkommen, besteht sicherlich die Chance, dass sie miteinander wechselwirken. Was könnte die Folge sein? Eine Möglichkeit ist, dass Alpha-Synuclein die Bildung von Sauerstoffradikalen in den Mitochondrien fördert. Solche aggressiven Sauerstoffverbindungen entstehen bei der ATP-Produktion in den Mitochondrien. Zellen, einschließlich Nervenzellen, können in der Regel mit diesem „Nebeneffekt“ des Energiestoffwechsels umgehen. Verstärkt sich jedoch die Bildung dieser Sauerstoffverbindungen, kommt es möglicherweise zu „oxidativem Stress“. Der kann für die Zellen schädlich sein. Alpha-Synuclein, insbesondere in aggregierter Form, könnte die mitochondriale Produktion aggressiver Sauerstoffverbindungen erhöhen. Diese Sauerstoffradikale wiederum könnten die Tendenz von Alpha-Synuclein zur Aggregation fördern. Infolgedessen könnte eine Art Teufelskreis entstehen, der zur Anhäufung von krankhaftem Alpha-Synuclein führt, zur verminderten Funktionalität der Mitochondrien und letztlich zum neuronalem Untergang. Obwohl durch erste Hinweise gestützt, bleibt dies eine Arbeitshypothese. Diese und andere Hypothesen werden wir im Rahmen von PD-MitoQUANT ausgiebig unter die Lupe nehmen. Aber wir erwarten auch, dass das Projekt neue, vielleicht unerwartete Daten generieren wird, die Forschungswege eröffnen, die über unser aktuelles Wissen und unsere aktuellen Hypothesen hinausgehen.

Was wird der Beitrag des DZNE zu diesem Projekt sein?

Das Konsortium, an dem wir beteiligt sind, ist wirklich multidisziplinär. Die Idee ist, Experimente an allen Fronten durchzuführen. Jedes Mitglied des Konsortiums bringt seine eigene besondere Expertise ein. Oft werden bestimmte Experimente an verschiedenen Standorten stattfinden, um die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen zu überprüfen. Innerhalb des Konsortiums werden verschiedene experimentelle Modelle und Technologien wie hochauflösende Bildgebung und Computermodellierung verwendet. Das Projekt umfasst keine klinischen Studien mit Patienten. Es werden jedoch Zellen von Menschen mit Alpha-Synuclein-Mutationen untersucht. Die Erwartung ist, dass wir durch Bündelung all dieser Expertise und den Einsatz modernster Technologien auf Mechanismen der Mitochondrien-Alpha-Synuclein-Interaktion stoßen werden, die ein therapeutisches Target sein könnten und somit relevant für die Entwicklung neuer Medikamente. Was Untersuchungen betrifft, die speziell am DZNE geplant sind, so ergibt sich unsere Rolle aus unserer langjährigen Erfahrung bei der Nachbildung wichtiger Aspekte der Parkinson-Erkrankung im Labor mit Hilfe von Modell-Organismen. Insbesondere werden wir die Aggregation von Alpha-Synuklein nachbilden und die Degeneration dopaminhaltiger Nervenzellen induzieren. Dabei wollen wir herausfinden, inwiefern ein Zusammenhang besteht mit Fehlfunktionen der Mitochondrien und Veränderungen ihrer Morphologie. Dafür stehen hier eine Vielzahl biochemischer Assays und moderne mikroskopische Verfahren zur Verfügung. Letztere ermöglichen es beispielsweise, auf zelluläre Ebene heranzuzoomen und so Veränderungen der Mitochondrien zu erfassen.

Die verschiedenen Teams sind über in ganz Europa verteilt. Wie werden sie interagieren?

Kürzlich hatten wir ein Kick-off-Meeting in Dublin mit Vertretern aller Teams aus neun Ländern. Während dieses Treffens haben wir detaillierte Pläne zur gemeinsamen Nutzung von Ressourcen diskutiert, zur Durchführung paralleler Untersuchungen mit verschiedenen experimentellen Modellen an unterschiedlichen Standorten und zur Umsetzung einer rigorosen Datenerhebung und Datenauswertung. Darüber hinaus haben wir kleinere Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich auf spezielle Komponenten des Forschungsprojekts konzentrieren. Nach diesem ersten Treffen zu urteilen, ist eine große Stärke von PD-MitoQUANT das dynamische Zusammenspiel zwischen den Mitgliedern des Konsortiums. Von nun an werden wir monatlich per E-Mail und Telefonkonferenzen regelmäßigen Kontakt halten.

Hintergrund zur Parkinson-Erkrankung und PD-MitoQUANT

Parkinson ist eine neurodegenerative Erkrankung, die sich durch Bewegungsstörungen und andere Gesundheitsprobleme bemerkbar macht. Aktuelle Behandlungen wirken nur symptomatisch. PD-MitoQUANT soll den Grundstein für bessere Therapien legen. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und umfasst 14 Partner aus neun Ländern aus Wissenschaft und Industrie. PD-MitoQUANT ist ein Forschungsprojekt der „ Innovative Medicines Initiative“, einer Public-Private-Partnership zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Föderation der pharmazeutischen Industrie und Verbände (EFPIA). PD-MitoQUANT erhält daher 4,5 Millionen Euro aus dem EU-Programm Horizon 2020 und 2,46 Millionen Euro an Sachleistungen von EFPIA-Mitgliedern und Parkinson's UK, einer britischen Patientenorganisation.

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