Medin: Ein Schlüsselprotein bei altersbedingten Blutgefäßveränderungen und Demenz
Medin entsteht im menschlichen Körper auf natürliche Weise. Problematisch wird es jedoch, wenn es verklumpt. Das passiert nämlich in den Arterien – und wenn sich dort Ansammlungen des Proteins bilden, dann verändern sich dadurch die physikalischen Eigenschaften der Blutgefäße: Sie werden steifer und das wiederum verhindert die notwendige Regulierung des Blutflusses. Geschieht dies in den Blutgefäßen des Gehirns, hat das direkte Auswirkungen auf die Nervenzellen, die nicht mehr ausreichend versorgt werden können. Das macht Medin zu einem möglichen Auslöser von vaskulärer Demenz. Aber auch bei zahlreichen weiteren Formen der Demenz spielt eine Einschränkung der Blutzufuhr eine Rolle, bei Alzheimer beispielsweise gibt es oft eine vaskuläre Komponente. Ob und wie Medin daran beteiligt ist, steht derzeit im Fokus der Forschung.
Medin hängt engt zusammen mit einem anderen Protein namens MFGE8, das eine wichtige Funktion im Körper erfüllt: Wenn in Blutgefäßen kleinere Verletzungen entstehen, trägt es dort zu Heilungsprozessen bei. Treten solche Verletzungen auf, wird deshalb automatisch die Produktion von MFGE8 hochgeregelt. Wenn die Arbeit getan ist und das Protein abgebaut wird, entsteht dabei Medin – ein Nebenprodukt des Abbaus. Dieser natürliche Prozess wird erst dann problematisch, wenn sich zu viel Medin in Gefäßen ablagert.
Fest steht, dass Medin altersassoziiert ist. Im Klartext: Je älter man wird, desto mehr Medin ist im Körper vorhanden – wobei die konkrete Menge tatsächlich von Mensch zu Mensch stark variiert. Eine Hypothese ist, dass im Laufe des Lebens viele mikroskopische Verletzungen in den Blutgefäßen auftreten und über die Jahre somit entsprechend viel MFGE8 gebildet worden ist – und dadurch letztendlich auch viel Medin. Das würde erklären, warum dessen Konzentration im Alter zunimmt.
Neben den Gefäßversteifungen gibt es Hinweise auf eine weitere Folge der Medin-Ansammlungen: Es interagiert offenbar mit Amyloid-beta, jenem Protein, das sich bei Alzheimer-Patienten im Gehirn ablagert. Medin fördert nach heutigem Wissensstand die Aggregation von Amyloid-beta, auch hier insbesondere in Blutgefäßen – das ist eine direkte Verbindung zur Alzheimer-Demenz.
Medin selbst gehört auch zur Familie der Amyloide. Amyloide sind Proteine, die auf eine bestimmte Art gefaltet sind; derzeit sind rund drei Dutzend verschiedene Arten von Amyloid bekannt, von denen einige mit konkreten Krankheitsbildern in Verbindung gebracht werden. Und so, wie Amyloid-beta spezifisch ist für Hirnerkrankungen wie eben Alzheimer, so ist Medin spezifisch für kardiovaskuläre Erkrankungen. Ob es im Gehirn Schaden anrichtet oder auch an anderen Organen, hängt letztlich davon ab, wo genau im Körper sich Medin in den Blutbahnen ablagert – auch dies wird momentan genauer untersucht.
Nachdem Medin im Jahr 1999 erstmals identifiziert wurde, geriet es rasch in Vergessenheit, weil die Forschung zunächst keine klare Verbindung zu einer konkreten Krankheit herstellen konnte. Durch eine Studie vom DZNE konnte im Jahr 2022 nachgewiesen werden, dass Medin bei Alzheimer eine Rolle spielt. Seither wurden von verschiedenen Forschungsteams immer neue Zusammenhänge hergestellt.
In der Forschung gibt es die Hoffnung, dass Medin künftig als Biomarker eingesetzt werden kann; als ein Indikator von Krankheiten der Blutgefäße. Ärzte haben derzeit keine Möglichkeit, die vaskuläre Pathologie bei Demenzen festzustellen - also die Beschädigungen von Blutgefäßen im Gehirn. Bei bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanzthomographie sind sie nicht sichtbar; bislang lassen sich solche Veränderungen erst in einer Biopsie ermitteln oder durch die Feststellung von Schäden an Gefäßen, die erst sehr spät in der Erkrankung auftreten. Könnte man Medin etwa in der Nervenflüssigkeit messen (dem sogenannten Liquor) und daraus Rückschlüsse auf den Stand einer Erkrankung ziehen, wäre das ein großer Fortschritt. In einem weiteren Schritt wäre auch eine Therapie denkbar, die bei Medin ansetzt und mit der sich die vaskulären Komponenten einer Demenz behandeln ließen. Auch dies wird momentan in Modellsystemen getestet.