Ratgeber für Einzelzell-Genomik veröffentlicht

Oder: Die Ratgeber

Die Einzelzell-Genomik zählt zu den bahnbrechenden Entwicklungen der letzten Dekade im Bereich der Biomedizin. Die Arbeitsgruppe um Prof. Joachim Schultze am DZNE veröffentlicht jetzt eine wegweisende Anleitung dazu in „Nature Immunology“.

Die Situation kennen Prof. Dr. Joachim Schultze und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus seiner Arbeitsgruppe: Das Telefon klingelt bei ihnen in Bonn oder eine E-Mail geht ein – und ein Kollege von irgendwo anders auf der Welt fragt nach einem dringenden Rat. „’Ihr seid doch schon so lange dran an der Einzelzell-Genomik, und wir kommen da an dieser einen Stelle nicht weiter’ – solche Anfragen haben wir hier häufig“, sagt Schultze. Das Knowhow, das er sich mit seinem Team in jahrelanger Arbeit aufgebaut hat, steckt jetzt in einer Art Gebrauchsanweisung, die in der Oktober-Ausgabe der renommierten Zeitschrift Nature Immunology erscheint.

Der Aufsatz, ein gutes Dutzend Seiten lang, ist eine Premiere: Noch gibt es keine vergleichbare Anleitung, die derart detailliert Aspekte der Technologie und deren konkrete Anwendung in der Grundlagen- und in der klinischen Forschung einführt und erläutert. „Wir sind überzeugt davon, dass dieses Paper über die nächsten Jahre hinweg seine große Relevanz behalten wird“, sagt Joachim Schultze. Die Initiative zu dem Aufsatz ging von der Fachredaktion aus: Das einflussreiche Journal fragte die Expertinnen und Experten vom DZNE in Bonn, ob sie eine solche Anleitung schreiben könnten, in die ihre jahrelangen Erfahrungen mit der Technik, aber auch mit der Beratung von anderen Forschungsgruppen einfließen sollten.

Wir sind überzeugt davon, dass dieses Paper über die nächsten Jahre hinweg seine große Relevanz behalten wird.
Prof. Joachim Schultze

Bei der Einzelzell-Transkriptomik, die als eine der revolutionärsten Methoden des letzten Jahrzehnts in der Biomedizin gilt, erstellen Forschende eine Art molekularen Schnappschuss aller Zellen der zu untersuchenden Probe. In dieser gewaltigen Menge von Informationen suchen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mittels moderner Algorithmen und computergestützter Verfahren nach Mustern und Auffälligkeiten. Auf diese Art und Weise lassen sich aus Tausenden von Zellen diejenigen heraussuchen, die wahrscheinlich etwas mit der Krankheit zu tun haben. Wie die Nadel im Heuhaufen lassen sich so spezielle Signalwege in bestimmten Zelltypen in komplexen zellulären Systemen identifizieren, was zum tieferen Verständnis der Abläufe im Körper beiträgt– auf der kleinsten, auf der molekularen Ebene.

Auch wenn der aktuelle Aufsatz im Magazin „Nature Immunology“ erschienen ist, lässt sich die Anleitung problemlos auf andere Bereiche übertragen. Das komplexe Immunsystem mit all seinen unterschiedlichen Zellen und Zuständen stellt ein ideales Anwendungsgebiet dar, allerdings hat sich die Methode auch bei zahlreichen weiteren Fragestellungen bewährt. „Nahezu überall, wo immer es klinische Gewebeproben gibt, lässt sich die Technik anwenden. Sie eröffnet völlig neue Möglichkeiten, komplexe molekulare Mechanismen mit bisher unerreichter Auflösung zu untersuchen.”, beschreiben Lorenzo Bonaguro und Jonas Schulte-Schrepping, zwei der Co-Autoren des Beitrags und DZNE-Forscher.

Am DZNE gibt es zahlreiche Arbeitsgruppen, die mittels Einzelzell-Genomik die Mechanismen von neurodegenerativen Erkrankungen durchleuchten. In einem aktuellen Projekt etwa werden die Proben von 200 Alzheimer-Patienten untersucht. „Man sieht tatsächlich schon in ihrem Blut frühzeitig Veränderungen. Wir suchen nach typischen Parametern in den Molekülen und versuchen mit ihnen schon feine Veränderungen zu erkennen“, erläutert Joachim Schultze. Das DZNE und die Universität Bonn unterhalten gemeinsam die Plattform PRECISE („Platform for Single Cell Genomics and Epigenomics“), in der sie ihre Expertise bündeln.

„Die Technik gibt es seit etwa 10 Jahren, aber in den vergangenen fünf Jahren und besonders durch die COVID-19 Pandemie hat sich ihre Nutzung geradezu explosionsartig verbreitet“, beobachtet Schulte-Schrepping. Noch wird das Verfahren hauptsächlich von hochspezialisierten Labors für die Grundlagen- und klinische Forschung verwendet; für diagnostische Zwecke ist es derzeit noch nicht ausgereift. Für alle Arbeitsgruppen, die neu in das Feld kommen, gibt es die nun publizierte Anleitung in Nature Immunology.

Joachim Schultze beschreibt die Einzelzell-Untersuchungen während der COVID-19 Pandemie als „Fingerübung”, denn die Immunantwort bei Corona-Patienten ist gewaltig – recht einfach sei es deshalb gewesen, dort eine Veränderung in den Genen aufzuspüren. Bei chronischen Erkrankungen wie etwa Alzheimer und Parkinson sei das weitaus schwieriger. Die DZNE-Forscher arbeiten sich aber immer weiter vor auf diesem komplizierten Gebiet. Das zeigen allein schon die Zahlen: Allein in den vergangenen zwei Jahren haben sie in ihren High-Tech-Laboren mehr als 1.000 Proben untersucht und dabei 2,5 Millionen Einzelzell-Transkriptome angefertigt.

Originalpublikation

A guide to systems-level immunomics. 
Bonaguro L. et al. 
Nat Immunol (2022).
DOI: 10.1038/s41590-022-01309-9

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