Neue Standards in Demenz- und Versorgungsforschung setzen

Bonn/Witten, 17. Januar 2013. Professor Martina Roes wird ab Januar 2013 neue Standortsprecherin des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Witten. Roes folgt auf Prof. Sabine Bartholomeyczik. "Für mich bietet diese neue Funktion eine Chance, die Pflegewissenschaft besser zu positionieren", so Roes. Das DZNE Witten sei ein Unikat im Bereich der Versorgungsforschung. Daher müsse man Frau Bartholomeyczik ein großes Lob aussprechen. Roes will sich künftig für eine stärkere Internationalisierung einsetzen. Darüber hinaus macht sie sich stark für mehr Qualität in der Pflege und Versorgung von Menschen mit Demenz. Außerdem wünscht sie sich einen besseren Austausch mit der Politik.

„Diese Schwerpunkte sind bedeutsam für die Pflege- und Versorgungsforschung“, so Prof. Pierluigi Nicotera, wissenschaftlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender des DZNE. „Wir freuen uns, dass wir Martina Roes gewinnen konnten, die in Witten bereits bestehende hervorragende Pflegeforschung vor allem durch Ihre Erfahrungen im Bereich des Gesundheitsmanagements ergänzen wird.“ Dass der Bereich der Pflegewissenschaft auch in der Versorgungsforschung ernst genommen wird, dafür setzt sich Roes bereits seit langem ein: So repräsentiert sie diesen für den Deutschen Pflegerat in verschiedenen nationalen Gremien. Außerdem ist Roes im Deutschen Bildungsratvertreten. Seit 2003 ist sie Professorin für Pflegewissenschaft an derHochschule Bremen. Mit ihrem Wechsel übernimmt sie neben der Standortleitung auch die Arbeitsgruppe Implementierungs- und Disseminationsforschung. Zudem wird sie an der Universität Witten-Herdecke in der Abteilung Pflegewissenschaft die Professur Nursing Science and Health Care Research wahrnehmen.

Pflege- und Versorgungsforschung umfasst bei Martina Roes viele Ebenen. Dabei steht bei ihr nicht nur der Mensch mit Demenz im Vordergrund, sondern auch der Kontext, in dem die Versorgung geleistet werden muss: Welche Umstände versetzt Menschen mit Demenz in die Lage, Dinge zu tun, beziehungsweise nicht zu tun? Wie wirken sich (in)stabile soziale Netzwerke auf die Versorgungsqualität aus? Und wie bewähren sich künftige Versorgungsmodelle im Zusammenspiel zwischen Profis und Laien ‑ angesichts bestehenden Fachkräftemangels ein immer wichtigeres Thema. Hinzu kommen soziopolitische Fragestellungen: Welche Auswirkungen haben demografische Faktoren wie Migration oder Armut auf die Versorgung der Demenz-Kranken? Können Forschungsergebnisse politische Entscheidungen flankieren, oder wie beeinflussen politische Entscheidungen die Qualität der Versorgung?

Dies alles sind Fragen, die Roes bearbeiten möchte. Ein besonderes Anliegen ist ihr die Entwicklung von Qualitätsstrategien und -indikatoren für die Versorgung von Menschen mit Demenz. Denn die Versorgung ist oft komplex, sodass viele Faktoren berücksichtigt werden müssen, um eine verlässliche Qualitätsaussage treffen zu können. Neben der fachlichen Qualifikation bringt Roes dafür langjährige Erfahrungen im Managen von wissenschaftlichen Einrichtungen mit: Von 2004 bis 2006 war sie in Bremen Studiendekanin im Fachbereich Sozialwesen (heute Fakultät Gesellschaftswissenschaften), von 2006 bis 2008 Konrektorin für Lehre und Studium. Darüber hinaus setzt sie sich seit 2006 beim Stifterverband der deutschen Wissenschaft für Qualität in der Lehre ein.

„Neben der Positionierung des Wittener Standorts ist mir wichtig, die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Doktoranden und Studierende des neuen, interprofessionellen Masterprogramms zur ‚Versorgung von Menschen mit Demenz‘ zu unterstützen“, so Roes. Dabei liege ihr vor allem die Qualifikation sowohl in fachlichen und methodischen, als auch gesundheitspolitischen Fragestellungen am Herzen. „Daneben geht es mir um die Übertragung der Forschungsergebnisse in die Praxis sowie die Bearbeitung von Forschungsfragen, die sich aus der Praxis ergeben.“

Wissenstransfer bedeutet für Roes allerdings nicht nur Transfer der Forschung in die Praxis. Denn Forschungsresultate im Bereich Pflege und Versorgung werden manchmal zu schnell politisch eingesetzt, um Entscheidungen durchzusetzen oder zu rechtfertigen. Gleichzeitig sei international viel zu wenig erforscht, wie Forschungsergebnisse in der Politik genutzt werden, um politische Entscheidungen zu beeinflussen, betont Roes. „Ich will verstehen, wie diese Prozesse funktionieren und welche Mechanismen darin greifen.“

Roes: „Wir brauchen ein neues, modifizierteres Verständnis, wie sich Forschung und Politik begegnen. Beide könnten konstruktiv zusammenarbeiten.“ Das hat sie gerade in einem einjährigen Forschungsaufenthalt in den USA erfahren. Gefördert wurde der Aufenthalt durch die „Commonwealth Fund Harkness/B. Braun Foundation im Bereich Gesundheitspolitik und Praxis“. Der Commonwealth Fund ist eine führende amerikanische Stiftung die sich insbesondere mit internationalen Analysen befasst sowie die Kooperation zwischen Forschung und Politik befördern möchte. Roes saß gemeinsam mit Senatoren und Leitern politischer Organisationen, Vertretern aus dem Gesundheitswesen und von Versicherungen sowie Wissenschaftlern an einem Tisch. Ziel war, Einblicke ins politische Gesundheitssystem zu bekommen. Zudem hat sie an der University of Pennsylvania in einem eigenen Projekt zum Einsatz von Indikatoren gezeigt, dass auch in den dort bestehenden Qualitätssystemen Verbesserungsbedarf besteht. „Wissenschaft muss Einfluss nehmen und sich zu Wort melden“, hebt Roes hervor. Als die zentrale Einrichtung für neurodegenerative Erkrankungen sei das DZNE ein wichtiger Partner für die die Politik. Daher werde sich der DZNE-Standort Witten in die Diskussion um die nationale Demenzstrategie einbringen.

Der Sprung über den Teich hat Roes jedoch nicht nur zum Diskurs mit der Politik angeregt. Die Pflege- und Versorgungsforschung ist heute noch sehr stark national geprägt. Dabei ist Demenz ein globales Phänomen. Insofern bietet sich für Roes ebenfalls an, mit Expertinnen und Experten anderer Länder zu kooperieren und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dafür hat sie in den USA bereits viele Kontakte geknüpft, die sie - neben den schon bestehenden europäischen Kontakten - ergänzend in den Standort Witten einbringt.

Roes (Jahrgang 1961) hat Soziologie, Philosophie und Psychologie an der Freien Universität Berlin studiert und ihr Diplom in Soziologie erworben. Promoviert wurde sie an der Universität Bremen zum Thema „Wissenstransfer in der Pflege – Neues Lernen in der Pflegepraxis“. Nach einer Station in Göttingen arbeitete sie seit 2003 an der Hochschule Bremen.

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