Krankhafte Tau-Proteine lassen neuronale Netzwerke einschlummern: Wirkstoff „Rolofylline“ mögliches Gegenmittel

Bonn, 6. Oktober 2016. Wissenschaftler des DZNE stellen im Fachjournal PNAS neue Erkenntnisse über die Rolle des Proteins Tau bei bestimmten Hirnerkrankungen vor. Ihre Laborstudie deutet darauf hin, dass der Wirkstoff „Rolofylline“ in der Lage sein könnte, Lern- und Gedächtnisprobleme abzumildern, die infolge aggregierender Tau-Proteine auftreten.

Das Gehirn hat so manche Ähnlichkeit mit dem Internet: In beiden Fällen handelt es sich um Netzwerke, in denen Signale von einem Knoten zum nächsten übertragen werden. Anders als Computer sind Nervenzellen jedoch über biologische Drähte verbunden. Diese „Axone“ können bis zu einem Meter lang sein, sogenannte Tau-Proteine tragen normalerweise zur Integrität dieser Strukturen bei. Doch bei einer bestimmten Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen – den „Tauopathien“, zu denen beispielsweise Alzheimer gehört – gerät Tau auf Abwege: Es aggregiert zu winzigen Fasern oder Klumpen, was neuronale Störungen auslösen kann. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind aber nur grob verstanden. Eine effektive Therapie gibt es daher nicht.

Wissenschaftler des DZNE und des Forschungszentrums caesar um Eva-Maria und Eckhard Mandelkow präsentieren jetzt neue Erkenntnisse über die krankhaften Vorgänge, an denen Tau-Proteine beteiligt sind. Wie sie in den „Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA“ (PNAS) berichten, kommt es unter pathologischen Bedingungen dazu, dass sich in den Axonen kleine Tau-Aggregate ansammeln. Die neuronale Aktivität wird infolgedessen gedrosselt. Aber die Nervenzellen sterben nicht ab und scheinen auch nicht ernsthaft krank zu sein. Sie geraten nur in eine Art Schlummerzustand. Dafür fanden die Forscher ein mögliches Gegenmittel: Der Wirkstoff „Rolofylline“ kann die neuronale Aktivität wiederherstellen. Rolofylline verstärkt den Signalaustausch zwischen den Nervenzellen und ist dadurch in der Lage, Lern- und Gedächtnisstörungen abzumildern. Die Wissenschaftler konnten diesen Effekt an Mäusen nachweisen, in deren Gehirnen sich Tau-Aggregate angehäuft hatten.

Rolofylline wurde ursprünglich zur Behandlung von Nierenfunktionsstörungen bei Herzpatienten entwickelt. Der Wirkstoff bindet an sogenannte Adenosin-A1-Rezeptoren. Infolgedessen werden Signalwege blockiert, die ansonsten die neuronale Aktivität herunterregulieren. Das könnte für Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen von Nutzen sein. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Rolofylline für die Behandlung von Nervenstörungen geeignet sein könnte, die aufgrund einer Tauopathie auftreten. Dies macht den Wirkstoff zu einem heißen Kandidaten für weitere Untersuchungen“, sagt Frank Dennissen, Mitglied in der Arbeitsgruppe Mandelkow und Erstautor der aktuellen Veröffentlichung. „In gewisser Weise ähneln die Tau-Aggregate einer Betonmauer, die ein Funksignal blockiert. Rolofylline scheint wie ein Verstärker zu wirken, der die Verbindung, trotz Hindernis, wiederherstellt.“

Originalveröffentlichung
Adenosine A1 receptor antagonist rolofylline alleviates axonopathy caused by human Tau ΔK280.
Frank J. A. Dennissen, Marta Anglada-Huguet, Astrid Sydow, Eckhard Mandelkow und Eva-Maria Mandelkow.
PNAS (2016), DOI: 10.1073/pnas.1603119113

Willkommen auf unserer Webseite, informieren Sie sich hier grundsätzlich cookie-frei.

Wir würden uns freuen, wenn Sie für die Optimierung unseres Informationsangebots ein Cookie zu Analysezwecken zulassen. Alle Daten sind pseudonym und werden nur durch das DZNE verwendet. Wir verzichten bewusst auf Drittanbieter-Cookies. Diese Einstellung können Sie jederzeit hier ändern.

Ihr Browser erlaubt das Setzen von Cookies: