Gehirngewebe soll Erforschung von degenerativen Nervenkrankheiten voranbringen

Bonn/Tübingen, 18. Juni 2012. Professor Manuela Neumann folgt einem gemeinsamen Ruf des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Universität Tübingen. Seit Juni startet sie die Forschergruppe „Neuropathologie“ am DZNE-Standort Tübingen und übernimmt die ärztliche Leitung der gleichnamigen Abteilung am Institut für Pathologie und Neuropathologie der Medizinischen Fakultät und des Universitätsklinikums. Neumann hat bereits wichtige Bausteine zum Verständnis der zellulären Mechanismen identifiziert, die zur Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und zur Frontotemporalen Demenz (FTD) führen. Nun will sie diese Vorgänge genauer entschlüsseln und damit neue Ansätze für die Therapie und Diagnostik entwickeln. Um eine optimale Übertragbarkeit der Forschung in die Klinik gewährleisten zu können, will sie in Kooperation mit anderen Forschungseinrichtungen in Deutschland eine Gehirngewebebank aufbauen.

ALS und FTD sind zwei Erkrankungen des Nervensystems, die ganz unterschiedliche Symptome hervorrufen: Die seltene Erkrankung ALS führt zu einer schnell voranschreitenden Muskelschwäche. Bei der nach Alzheimer am zweithäufigsten vorkommenden Demenz FTD treten Veränderungen der Persönlichkeit und des sozialen Verhaltens auf. Allerdings scheint beiden Erkrankungen ein ähnlicher Mechanismus zugrunde zu liegen. Manuela Neumann und Kollegen konnten vor einigen Jahren zeigen, dass Veränderungen im DNA/RNA-bindenden Protein TDP-43 eine entscheidende Rolle spielen. Beim gesunden Menschen befindet sich der Großteil dieses Proteins im Kern der Nervenzellen (Neurone) und ist dort bei der Verarbeitung von genetischer Information (mRNA) beteiligt. In den Neuronen von ALS- oder FTD-Patienten sammelt sich TDP-43 aber außerhalb des Kerns im Zellkörper und bildet dort krankhafte Ablagerungen. Mit dieser Entdeckung, die 2006 in der renommierten Zeitschrift „Science“ erschien, tat sich ein neues Forschungsfeld auf.

Seitdem untersucht Neumann die genaue Funktion von TDP-43 und eines weiteren DNA/RNA-bindenden Proteins namens FUS. Ihr Ziel ist, Veränderungen dieser beiden Proteine zu identifizieren und deren Bedeutung für den Zelltod bei diesen Erkrankungen zu erforschen. Dazu nutzt sie nicht nur Modellorganismen sowie zelluläre und molekularbiologische Methoden, sondern auch Gehirngewebe von verstorbenen Patienten. „Viele Erkrankungen des Nervensystems wie verschiedene Demenzformen oder ALS treten nur beim Menschen auf“, so Neumann. „Daher müssen wir letztlich alle Ergebnisse auch im menschlichen Gewebe überprüfen.“ Aber auch der Rückschluss sei wichtig, meint Neumann. „Erkennen wir Veränderungen im humanen Gewebe, so werden diese molekularbiologisch oder im Tiermodell untersucht.“ Das sei ein unverzichtbarer Weg, um eine schnelle Übertragung vom Labor in die klinische Forschung zu gewährleisten. Zudem will sie anhand histologischer Untersuchungen des Gewebes mit Stellung einer definitiven Diagnose beitragen, bisherige klinische Diagnosemethoden, die bei einigen Demenzformen wie der FTD relativ ungenau sind, zu verbessern.

Neumann hat bereits langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Neuropathologie. Sie wirkte maßgeblich am Aufbau des Deutschen Gehirngewebebank-Netzwerkes (Brain-Net) mit und sammelte weitere Erfahrung in der Gehirngewebebank an der University of Pennsylvania in Philadelphia (USA). Die 43jährige Medizinerin hat in München und Göttingen studiert. Nach Forschungsaufenthalten an der University of Pennsylvania und der Ludwigs-Maximilians-Universität München war sie bis Ende Mai Assistenzprofessorin für Experimentelle Neuropathologie und Oberärztin am Institut für Neuropathologie am Universitätsspital Zürich. Sie erhielt unter anderem den Forschungspreis der Hans und Ilse Breuer-Stiftung. Ihre Arbeit wird in den nächsten fünf Jahren im Rahmen des Förderprogramms der Helmholtz-Gemeinschaft „Förderung von Stellen für exzellente Wissenschaftlerinnen aus Mitteln des Impuls- und Vernetzungsfonds“ unterstützt.

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