Defekte Immunzellen im Gehirn verursachen Alzheimer

Wissenschaftler untersuchen die Rolle der Immunzellaktivierung bei Alzheimer

München, 8. Januar 2019. Mutationen des Gens TREM2 können das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, erheblich erhöhen. In einer aktuellen Studie beleuchten Wissenschaftler des DZNE und der Ludwig-Maximilians-Universität München, warum TREM2 für die Gesundheit des Gehirns so wichtig ist. Sie zeigen, dass TREM2 Immunzellen des Gehirns dazu aktiviert, vor allem im frühen Krankheitsstadium toxische Ablagerungen zu beseitigen. Die in der Zeitschrift „Nature Neuroscience“ veröffentlichte Studie hat wichtige Implikationen für die Entwicklung neuer Medikamente.

Ein Kennzeichen der Alzheimer-Erkrankung ist die Bildung toxischer Ablagerungen, sogenannter Plaques, im Gehirn. Spezialisierte Immunzellen, genannt Mikroglia, schützen das Gehirn, indem sie es von Plaques reinigen. TREM2 ist der zentraler Schalter bei der Aktivierung dieser Zellen und damit ein wichtiges Zielmolekül für neue therapeutische Ansätze. Um diese therapeutischen Möglichkeiten weiter auszuloten, untersuchten die Münchner Wissenschaftler den genauen Krankheitsverlauf in Mäusen mit und ohne funktionstüchtigem TREM2-Gen.

Früh im Krankheitsverlauf sammeln sich in Mäusen mit gesundem TREM2 Mikroglia um kleine Plaques und verhinderten so, dass sie sich vergrößern oder ausbreiten. „Wir konnten zeigen, dass Mikroglia gezielt von Amyloid-Plaques angezogen werden. Sie umzingeln einzelne Plaques und zerlegen diese dann Stück für Stück“, erklärt Studienleiter Christian Haass, Sprecher des Münchener Standorts des DZNE und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Fehlte den Mäusen hingegen das TREM2, konnten Mikroglia diese wichtige Aufgabe nicht korrekt ausführen. Eine therapeutische Aktivierung von TREM2 im frühen Krankheitsstadium könnte demnach helfen, der Bildung von Amyloid-beta Proteinaggregaten entgegenzuwirken.

Die Studienergebnisse zeigen jedoch auch, dass bei einer solchen Therapie Vorsicht geboten ist. Während TREM2 im frühen Krankheitsstadium die Plaquebildung verhindert, scheint das Molekül in einem späteren Stadium eine entgegengesetzte Wirkung zu haben. Im späteren Krankheitsverlauf wuchsen die Plaques bei Mäusen mit TREM2 schneller, als bei Mäusen ohne TREM2. Auch hierfür fanden die Wissenschaftler eine Erklärung: TREM2 sorgt in den Mikroglia für die Produktion eines Stoffes namens ApoE, der die Aggregatbildung verstärkt. „Unsere Studie zeigt, dass man enorm vorsichtig sein und einen neuen Therapieansatz in Tiermodellen genau untersuchen muss, bevor man ihn an Menschen testet“, sagt Haass. „Nach unseren Ergebnissen könnte es dramatische Folgen haben, wenn wir über das Ziel hinausschießen und die Mikroglia überaktivieren“.

„In der Zukunft wird es wichtig sein, dass man die Krankheit stadienspezifisch behandelt“, sagt Haass. Eine Aktivierung der Mikroglia über TREM2 wäre beispielsweise eine Strategie, mit der man nach den aktuellen Studienergebnissen in einer frühen Phase der Erkrankung ansetzen sollte. Haass und seine Kollegen arbeiten bereits an der Entwicklung von Antikörpern, die TREM2 stabilisieren und so zu einer Aktivierung der Mikroglia führen. In mehreren Tiermodellen und mit verschiedenen experimentellen Ansätzen testen die Wissenschaftler nun mögliche therapeutische Strategien und Kombinationstherapien mit anderen Medikamenten.

„Alle wichtigen Genveränderungen, die mit einem erhöhtem Risiko für Alzheimer verbunden sind, führen zu Veränderungen der Plaquebildung“, betont Haass. Das legt nahe, dass diese Proteinaggregate die Alzheimerkrankheit verursachen. Die aktuelle Studie stützt die Hoffnung, dass es möglich ist, dieser Plaquebildung mit einer Aktivierung von TREM2 entgegenzuwirken und zeigt gleichzeitig, auf welche möglichen Risiken Wissenschaftler bei einem solchen Ansatz achten müssen.

Medienkontakt

Dr. Marcus Neitzert
Presse
marcus.neitzert(at)dzne.de
+49 228 43302-267

Originalveröffentlichung

Loss of TREM2 function increases amyloid seeding but reduces plaque-associated ApoE.

Parhizkar et al. (2019). Nature Neuroscience. DOI: 10.1038/s41593-018-0296-9

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