InDePendent
Interprofessionelle Demenzversorgung: Aufgabenneuverteilung zwischen Ärzten und qualifizierten Pflegefachpersonen in der häuslichen Versorgung
Projektübersicht
| Projektzeitraum | 01.04.2020 - 31.03.2024 |
| Projektleitung | Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, MPH |
| Projektart | Verbundprojekt |
| Projekförderung | drittmittelgefördert |
| Mittelgeber | Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) |
Hintergrund
Derzeit leben ca. 1,7 Millionen Menschen mit Demenz (MmD) in Deutschland. Die Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr wird auf ca. 244.000 geschätzt. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit steigt mit höherem Alter stark an. Gegenwärtig existiert keine kurative Behandlung der Demenz. Das Fortschreiten der Erkrankung führt häufig zu einem hohen Versorgungsbedarf, dessen Komplexität das Gesundheitssystem bei vielen Betroffenen nicht umfassend erfüllen kann. Nur eine Minderheit der MmD erhält eine optimale bedarfsgerechte und leitlinienkonforme Versorgung.
Ziel des Projektes
Ziel der InDePendent Studie ist es, durch eine Aufgabenneuverteilung zwischen Hausärzten und Pflegefachkräften die Lebens- und Versorgungssituation von MmD in der Häuslichkeit zu verbessern. Dabei sollen demenz-spezifisch qualifizierte Pflegefachpersonen (PFP) Tätigkeiten übernehmen, die bisher typischerweise von Ärztinnen und Ärzten ausgeführt werden, wie z. B. Assessments und Abstimmungen mit den an der Versorgung beteiligten Professionen. Das InDePendent-Projekt ist Deutschlands erstes Projekt bei dem es einen gültigen Versorgungsvertrag nach 63,3c SGBV gibt. Das bedeutet: Pflegefachkräfte wurden staatlich geprüft, um heilkundlicher Tätigkeiten übertragen zu bekommen. Erstmals werden heilkundliche Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte übertragen und nicht nur delegiert.
Ablauf des Projektes
InDePendent ist eine multizentrische, cluster-randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie mit einem Warte-Kontroll-Gruppen Design. An der Studie nehmen fünf Ärztenetze und Demenznetzwerke aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hessen teil. Randomisiert wird auf der Ebene der teilnehmenden Netzwerkärzte/innen (im Verhältnis 1:2). Die teilnehmenden Hausärzte/innen führen bei noch in der eigenen Häuslichkeit lebenden Patienten/innen ab 70 Jahren das DemTect Screening Verfahren durch. Bei entsprechendem Hinweis auf eine dementielle Erkrankung werden Patienten über die Studie aufgeklärt und nach Einwilligung eingeschlossen.
Die teilnehmenden Patienten/innen in den Praxen der Interventionsgruppe erhalten direkt über einen Zeitraum von sechs Monaten die Intervention und werden von der speziell qualifizierten PFP mit erweiterter Pflegerolle versorgt. Sämtliche pflegerischen, medizinischen, medikamentösen, psychosozialen und sozialrechtlichen Versorgungsbedarfe werden unter der Nutzung eines IT-basierten Versorgungs-Management-Systems identifiziert und anschließend umgesetzt.
Bislang ärztliche Leistungen können nach Rücksprache mit dem Hausarzt in Substitution und/oder in Delegation ausgeführt werden. Tätigkeiten, welche weiterhin ausschließlich vom Hausarzt ausgeführt werden können, um die Versorgungsbedarfe der Patienten zu decken, werden von der PFP unterstützt. Die PFP koordinieren und überwachen die Umsetzung aller zur Bedarfsdeckung notwendigen Tätigkeiten.
Die Patienten der Praxen in der Warte-Kontroll-Gruppe erhalten zunächst sechs Monate die Routineversorgung ohne Zugang zur speziell qualifizierten PFP („care-as-usual“). Nach Ablauf der 6-monatigen Wartezeit werden diese Patienten automatisch Patienten der Interventionsgruppe und erhalten ebenfalls die Intervention.
Das Projekt wird auf Basis von Primärdaten evaluiert. Primärer Endpunkt ist die Anzahl der ungedeckten Versorgungsbedarfe nach sechs Monaten. Die Evaluation der patientenrelevanten Endpunkte erfolgt durch den Einsatz von Study Nurses in den Ärztenetzen und der Häuslichkeit der Patienten.
Ergebnisse:
471 MmD konnten in die Studie eingeschlossen werden, von denen 417 MmD die Baseline begonnen hatten. Diese waren im Mittel 81 Jahre alt (SD=6,9) und wiesen 2,4 (SD=2,7) ungedeckte Bedarfe auf. Die Studie zeigte eine signifikante Reduktion der unerfüllten Versorgungsbedarfe um 74% (0.26 [CI 0.17-0.40], p<0.001), eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bezogen auf den EQ-5D-5L (0.04 [CI 0.01-0.07], p=0,017) sowie eine Tendenz zur Reduktion von Haus- und Facharztkonsultationen auf. Zudem zeigte sich, dass die Intervention keine zusätzliche Belastung für pflegende Angehörige darstellte und insbesondere allein lebende MmD besonders stark davon profitierten. Die Intervention führte aus Sicht der Kostenträger zu leicht höheren Kosten im Vergleich zur Routineversorgung, bot jedoch auch einen leichten Gewinn an qualitätsbereinigten Lebensjahren und erwies sich aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive als kosteneffektiv. Die Prozessevaluation konnte die Akzeptanz der erweiterten Pflegerollen in Ärztenetzen bestätigen.
Publikationen:
Rädke, Anika, et al. „Efficacy and cost-effectiveness of extended nursing roles in dementia care - results of the cluster-randomized trial InDePendent” Alzheimer’s & Dementia 21.10 (2025): e70727. https://doi.org/10.1002/alz.70727
Scharf, Annelie, et al. “Identifying and Addressing Unmet Needs in Dementia: The Role of Care Access and Psychosocial Support.” International Journal of Geriatric Psychiatry 40.4 (2025): e70066. https://doi.org/10.1002/gps.70066
Michalowsky, Bernhard, et al. "Healthcare Needs Patterns and Pattern-Predicting Factors in Dementia: Results of the Comprehensive, Computerized Unmet Needs Assessment from the Randomized, Controlled Interventional Trial InDePendent." Journal of Alzheimer’s Disease 100.1 (2024): 345-356. https://doi.org/10.3233/JAD-240025
Scharf, Annelie, et al. "Sociodemographic and Clinical Characteristics of People Living with Dementia and Their Associations with Unmet Healthcare Needs: Insights from the Baseline Assessment of the InDePendent Study." Journal of Alzheimer’s Disease 99.2 (2024): 559-575. https://doi.org/10.3233/JAD-231173
Buchholz, Maresa, et al. "Discrepancies between self‐and proxy‐rated quality of life in people living with dementia." Alzheimer's & Dementia: Translational Research & Clinical Interventions 10.2 (2024): e12486. https://doi.org/10.1002/trc2.12486
Kleinke, Fabian, et al. "Advanced nursing practice and interprofessional dementia care (InDePendent): study protocol for a multi-center, cluster-randomized, controlled, interventional trial" Trials 23.1 (2022): 290. https://doi.org/10.1186/s13063-022-06249-1
Mühlichen, Franka et al. „Das InDePendent-Projekt zur Erweiterung der Pflegerolle und Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Demenz“ ProAlter 3 (2022): 45 - 49.
Projektberichte, Beschlüsse und Pressemeldungen
Ergebnisbericht: https://innovationsfonds.g-ba.de/downloads/beschluss-dokumente/948/2025-09-19_InDePendent_Ergebnisbericht.pdf
Evaluationsbericht: https://innovationsfonds.g-ba.de/downloads/beschluss-dokumente/949/2025-09-19_InDePendent_Evaluationsbericht.pdf
Beschluss des Innovationsausschusses beim G-BA: https://innovationsfonds.g-ba.de/beschluesse/independent.353
Gemeinsame Pressemeldung: https://www.dzne.de/aktuelles/pressemitteilungen/presse/demenz-neues-modell-der-haeuslichen-versorgung-bewaehrt-sich-im-praxistest/
Kontakt
Beteiligte Einrichtungen
Konsortialführung
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen
Konsortialpartner
- AOK Nordost - Die Gesundheitskasse
- Techniker Krankenkasse, Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern
- Demenz-Netzwerk-Uckermark e.V.
- HaffNet GmbH
- GNEF Gesundheitsnetz Frankfurt am Main e.G.
- Universitätsmedizin Rostock
- Universitätsmedizin Greifswald