Wenn Bewegungen in Unordnung geraten

Der Begriff „Ataxie“ leitet sich vom griechischen Wort „a-taxia“ für „fehlende Ordnung“ ab. Als Ataxien bezeichnet man eine Reihe von seltenen Erkrankungen des Gehirns und Rückenmarks, bei denen das Zusammenspiel verschiedener Muskelgruppen gestört ist. Dadurch leiden das Gleichgewicht und die Bewegungskoordination. Betroffen sind das Gehen ebenso wie das Sitzen oder Stehen, das Sprechen, die Handbewegungen und die Kontrolle der Augenbewegungen. Der Gang wird unsicher und breitbeinig, die Handschrift wird unleserlich, Greifen und Halten fallen schwer. Andere Betroffene können ohne Unterstützung nicht aufrecht sitzen oder stehen. Aber auch das Sprechen kann beeinträchtigt werden. Es wird undeutlich und verwaschen.

Von der Parkinson-Krankheit und der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) unterscheiden sich Ataxien dadurch, dass bei Ataxien Störungen des Gleichgewichts und der Koordination im Vordergrund stehen, während es bei der Parkinson-Krankheit zu einer Verarmung und Verlangsamung der Bewegungen sowie Zittern und Muskelsteifigkeit kommt und bei ALS zu Spastik und Lähmungen.

Ataxien können in jedem Lebensalter auftreten – auch schon bei Kindern. Schätzungen zufolge sind in Deutschland rund 16.000 Personen betroffen, Männer wie Frauen gleichermaßen.

Gestörte Kommunikation zwischen Kleinhirn und Rückenmark

Entscheidende Mitspieler bei der Feinabstimmung von Bewegungen sind das Kleinhirn und das Rückenmark, sowie die Verbindungen dazwischen und mit anderen Teilen des Gehirns. Ist die Kommunikation gestört, leidet die Koordination und Ausführung von Bewegungen.

Erworben oder genetisch bedingt

Erworbene Ataxien gehen meist auf Schäden im Kleinhirn zurück, die vielfältige Ursachen haben können. Sie mögen von Durchblutungsstörungen, etwa bei einem Schlaganfall herrühren, von entzündlichen Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen, aber auch von Infektionen oder Tumoren sowie von Fehlernährung, Verletzungen, Vergiftungen oder Alkoholmissbrauch.

Daneben können Ataxien genetisch bedingt sein. Bei den erblich bedingten Ataxien gibt es mindestens 200 verschiedene Genmutationen, die die Erkrankung verursachen. Ursache von angeborenen, erblichen Ataxien ist ein fortschreitender Untergang bestimmter Nervenzellen im Kleinhirn, wofür – je nach Unterform – unterschiedliche Genveränderungen verantwortlich sind. Bei den erblichen Ataxien kann es sich um dominant vererbte Ataxien handeln, die von einer Generation an die nächste vererbt werden. Die Patienten wissen häufig, dass die Krankheit in der Familie vorkommt. Unter den dominant vererbten Ataxien ist die spinozerebelläre Ataxie Typ 3 (SCA3) am häufigsten. Sie wird auch Machado-Joseph-Krankheit genannt und beginnt üblicherweise zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.

Sind die Eltern nicht betroffen, aber deren Kind oder mehrere Geschwisterkinder erkrankt, handelt es sich um eine rezessiv vererbte Ataxie: Das heißt, dass die Eltern beide nur jeweils Träger der krankmachenden Erbanlage sind, die Krankheit aber bei ihnen nicht zum Ausbruch kommt. Damit das Kind erkrankt, müssen beide Elternteile die Genveränderungen vererben. Unter allen rezessiven Ataxien kommt die Friedreich-Ataxie am häufigsten vor. Sie beginnt in der Kindheit bzw. Pubertät: Die Eltern der Betroffenen sind gesund, während bei den Betroffenen, die sich vorher altersentsprechend entwickelt haben, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen auftreten. Es kommt zu Schwierigkeiten beim Gehen und Stürzen. Mit fortschreitendem Verlauf der Friedreich-Ataxie sind die Kinder dann auf einen Rollstuhl angewiesen.

Momentan sind Ataxien noch nicht medikamentös behandelbar. Regelmäßige Physiotherapie mit aktiven Übungen zur Förderung der Koordination kann die Symptome aber dauerhaft lindern.

DZNE: große klinische Studien zum besseren Verständnis der Ataxien

Forschende des DZNE widmen sich an mehreren Standorten in verschiedenen großen klinischen Studien der Erforschung von Ataxien. Der Schwerpunkt liegt dabei auf genetisch bedingten Ataxien. So nehmen sie den Verlauf spinozerebellärer Ataxien unter die Lupe und fahnden nach messbaren biologischen Merkmalen (sogenannten Biomarkern, z. B. im Blut oder im Nervenwasser) für die Früherkennung. In einer weiteren Studie erfassen sie rezessiv vererbte Ataxien wie die Friedreich-Ataxie, um den Krankheitsverlauf besser zu charakterisieren und die Ursachen besser zu verstehen.

Darüber hinaus widmen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DZNE auch neuen Wegen für die Therapie. So arbeiten sie an neuen, individuell auf die Betroffenen abgestimmten Gentherapien, um bei genetisch bedingten Ataxie-Formen den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder sogar aufzuhalten. Ein vielversprechender Ansatz ist die "Antisense-Therapie": Hier sollen bestimmte Medikamente direkt an der Genmutation ansetzen und die Umsetzung der darin enthaltenen krankmachenden Erb-Information blockieren.

Die Machado-Joseph-Krankheit

Die Machado-Joseph-Krankheit fiel der medizinischen Fachwelt erstmals in den 1970er Jahren in den USA auf - bei Nachfahren von Einwanderern aus den Azoren. Der Ursprung dieser erblichen Ataxie liegt aber wahrscheinlich nicht auf den Azoren: Erbgut-Analysen deuten darauf hin, dass die Ursprünge der Erkrankung vor tausenden von Jahren in Ostasien lagen. Portugiesische Seefahrer brachten die Erkrankung in ihren Genen dann auf die Azoren und in andere Teile der Welt.

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