Vier Fragen an Prof. Eicke Latz – Träger des Leibniz Preises 2018

Elf Wissenschaftler wurden am 19. März 2018 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Unter ihnen ist Prof. Eicke Latz, Direktor des Instituts für Angeborene Immunität an der Universität Bonn und Wissenschaftler am DZNE. Bei der Auszeichnung handelt es sich um den wichtigsten deutschen Forschungsförderpreis. Latz erhielt den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Preis gemeinsam mit seinem langjährigen Forscherkollegen Veit Hornung von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die beiden Wissenschaftler gelten als zwei der weltweit prägendsten Forscher auf dem Gebiet der angeborenen Immunität.

Das angeborene Immunsystem vermittelt die erste, schnelle Immunantwort auf pathogene Mikroorganismen und wird auch durch sterile Gewebsschäden aktiviert. Die Zellen der angeborenen Immunsystems erkennen Mikroben, greifen sie an und senden Botenstoffe aus, um andere Teile des Immunsystems zu aktivieren, dessen Reaktion spezifisch auf bestimmte Erreger angepasst ist. Weiterhin können die gleichen Zellen auch reparative Prozesse nach Gewebsschäden einleiten.

So wichtig das Immunsystem ist, um den Körper gegen Infektionskrankheiten zu schützen – eine erhöhte Immunabwehr kann sich auch negativ auswirken. Nicht nur Krankheitserreger, sondern auch Gewebeveränderungen können das Immunsystem aktivieren und Entzündungen auslösen. Gerade im Alter sind solche Veränderungen häufig und die Immunreaktion kann zu Erkrankungen wie Arteriosklerose, Krebs, Alzheimer oder Parkinson beitragen.

Herr Prof. Latz, Ihre Forschung befasst sich mit dem angeborenen Immunsystem. Was fasziniert Sie daran?

Man hat in den letzten zwei Jahrzehnten sehr viel über die molekularen Mechanismen der Aktivierung des angeborenen Immunsystem gelernt und erkannt, dass eine fehlgeleitete Aktivierung des angeborenen Immunsystems zur Pathogenese vieler häufiger Erkrankungen beiträgt. Die Grundlagenforschung in diesem Bereich hat daher viele pharmakologische Zielmoleküle hervorgebracht, die man jetzt in neue spezifischere Medikamente zur Modulation der Immunantwort umsetzen kann. Das angeborene Immunsystem kann von Bakterien oder Viren aktiviert werden – aber auch von körpereigenen Substanzen, die sich bei verschiedenen metabolischen Störungen und vor allem im Alter ansammeln. Bei vielen der heutigen Volkserkrankungen kommt es zu einer übermäßigen Reaktion des Immunsystems aufgrund körpereigener Substanzen und diese fehlgeleitete Entzündungsreaktion ist Teil des Krankheitsgeschehen. Da gibt es also ein großes Anwendungsgebiet für neue therapeutische Strategien.

Ein wichtiger Teil Ihrer Forschung beschäftigt sich mit dem NLRP3 Inflammasom. Was ist das?

Das sogenannte NLRP3 Inflammasom ist ein wichtiger Rezeptor des angeborenen Immunsystems, der die Aktivierung von besonders inflammatorischen Botenstoffen reguliert. Das NLRP3 Inflammasom ist vor allem dafür bekannt, dass es die nicht-infektiösen Entzündungsprozesse aufrechterhält. Es reagiert auf eine Vielzahl von körpereigenen Substanzen, wie aggregierte oder kristalline Stoffwechselprodukte und auch auf eine Reihe von Aggregaten, die im neurodegenerativen Bereich wichtig sind, zum Beispiel Ablagerungen im Gehirn bei Alzheimer oder Parkinson.

Die Alzheimer-Erkrankung löst also eine Entzündung aus. Ist das nur eine Begleiterscheinung der Erkrankung, oder treibt es die Krankheit voran?

Da gehen die Meinungen auseinander. Ich persönlich denke, dass sich Neurodegeneration und Entzündungsprozesse gegenseitig bedingen. Gemeinsam mit Michael Heneka haben wir in einer Studie gezeigt, dass NLRP3 in einem Mausmodell von Alzheimer die Entzündungsreaktion vermittelt. Mäuse, denen das NLRP3 Inflammasom fehlt, bekommen nicht die typischen Alzheimersymptome und leiden nicht unter Gedächtnisverlust.

In einer weiteren Studie, die wir letztes Jahr veröffentlich haben, zeigen wir, dass es zwischen Immunsystem und Neurodegeneration zu einer Art Teufelskreis kommt. Das Amyloid-beta-Aggregat – eine charakteristische Ablagerung im Gehirn von Alzheimerpatienten – kann das Inflammasom aktivieren. Das führt dazu, dass die Zelle einen Teil des Inflammasoms ausscheidet, was wiederum die Amyloid-beta Aggregation befördert. Das war der erste Hinweis, dass die Entzündungsreaktion direkt mit der Neurodegeneration verknüpft sein könnte. Die Ergebnisse weisen auch darauf hin, dass Inflammasome mögliche Zielmoleküle für eine neuartige Alzheimertherapie sein könnten. 

In einer neueren Arbeit zeigen Sie, dass eine schlechte Ernährung das Immunsystem überreizt. Welche Rolle spielt Ernährung bei neurodegenerativen Erkrankungen?

Das ist noch nicht ganz klar und ist Gegenstand unserer derzeitigen Untersuchungen. Man weiß schon länger, dass zum Beispiel Übergewicht im mittleren Lebensalter ein Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen ist. In dieser aktuellen Studie zeigen wir, dass eine sogenannte ´Western´ Diät, also eine fett- und kalorienreiche Kost, die Immunabwehr langfristig aggressiver macht. Wir zeigten, dass eine solche schlechte Ernährung das NLRP3 Inflammasom aktivieren kann und dadurch eine systemische Entzündung auslöst wird, genau wie bei einer infektiösen Erkrankung.

Weiterhin haben wir herausgefunden, dass so eine chronische Entzündungsreaktion das Immunsystem sensibilisiert und es dann empfindlicher auf andere Substanzen oder Gewebeschäden reagiert. Damit ist eine schlechte Ernährung mechanistisch ganz nahe am Grundübel der modernen Volkserkrankungen. Darüber hinaus werden diese Veränderungen epigenetisch gespeichert, das heißt, eine schlechte Ernährung kann die Aktivierbarkeit der Zellen des Immunsystems langfristig verändern.

Jeder weiß, dass Fastfood ungesund ist, aber keiner weiß recht warum. Wir wollten in dieser Studie mit harten Daten zeigen, was schlechte Ernährung für Folgen hat. Mit einer relativ einfachen Verhaltensveränderung – mehr Bewegung und eine bessere Ernährung – kann man das Risiko, an einer der typischen Volkskrankheiten zu erkranken, erheblich senken.

Ich denke es ist Zeit, die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in neuartige Wirkstoffe zu translatieren. Dazu habe ich 2016 die Firma IFM Therapeutics mitbegründet, die sich auf die Entwicklung von Modulatoren des angeborenen Immunsystems spezialisiert hat. Zum anderen ist es mir wichtig, über die Risiken aufzuklären, die zu chronisch entzündliche Erkrankungen begünstigen können. Unsere Forschung kann beitragen, dass die Menschen die Risiken einer schlechten Ernährung besser verstehen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, rauszugehen und unsere Arbeiten einem breiten Publikum vorzustellen.

Text: Dr. Katrin Weigmann

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