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„Schreiben war schon immer mein Ding“

Martin Riemer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Magdeburg. In seiner Forschung beschäftigt er sich vor allem mit der Zeitwahrnehmung. Nun hat er einen Roman mit dem Titel „Post Mortem“ geschrieben, in dem die Wissenschaft eine besondere Rolle spielt.

Herr Riemer, wie sind Sie dazu gekommen, über Ihre Wissenschaft zu kommunizieren?

Das war eine Mischung aus verschiedenen Dingen. Zum einen habe ich bei Forschungsanträgen gemerkt, dass ein großer Fokus auf der Kommunikation liegt. Wenn man durch öffentliche Gelder gefördert wird, muss man natürlich auch zurückspielen, wie und wofür das Geld genutzt wurde. Die Forschungsergebnisse sind zwar erst mal für die Fachcommunity relevant, aber ich habe immer wieder auch gemerkt, dass es ebenso wichtig ist, sie auch an Laien zu kommunizieren. Durch Dialoge mit der Familie oder im Freundeskreis habe ich aber festgestellt, dass man da immer mal wieder an seine Grenzen stößt.

Zum anderen habe ich mich immer schon für Literatur interessiert und viel geschrieben. Ich finde mein Fachgebiet, also die Zeitwahrnehmung, auch für diesen Bereich sehr spannend. Da lag es nahe, beides zu verbinden. Primäres Ziel war es aber erst mal nicht, ein Buch über meine Wissenschaft zu schreiben.

Warum haben Sie es dann doch gemacht?

Martin Riemer ist promovierter Psychologe und arbeitet am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und an der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. In seinem Roman „Post Mortem“ verknüpft er Themen aus seiner Forschung mit philosophischen Fragen über die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis. Foto: privat

Ich habe, wie gesagt, immer schon viel geschrieben und dabei ist mir dann die Idee gekommen, die wissenschaftlichen Theorien, mit denen ich mich beschäftige, leicht verständlich und literarisch aufzubereiten. Und diese Gedanken sind dann mit in den Roman geflossen. Es ist aber kein populärwissenschaftliches Buch, sondern eine fiktive Erzählung, in der wissenschaftliche Theorien noch mal verständlicher dargelegt werden. Zum Beispiel beleuchte ich die Frage nach dem freien Willen aus neurowissenschaftlicher Perspektive und erkläre, warum Forschende in den Neurowissenschaften eigentlich davon ausgehen müssen, dass es keinen freien Willen gibt.

Was wollen Sie mit dem Buch bei den Leserinnen und Lesern erreichen?

In erster Linie will ich Interesse für die großen Fragen meines Forschungsbereiches wecken und zeigen, wie spannend diese eigentlich sind. Das ist vielen Leuten, die sich nicht täglich damit befassen, gar nicht bewusst. Deshalb habe ich auch nicht versucht, wissenschaftliche Fakten zu verbreiten, sondern vielmehr Theorien zur Diskussion zu stellen, die in meinem Forschungsbereich aktuell sind.

Haben Sie literarische Vorbilder?

Definitiv. Ein großes Vorbild in diesem Bereich ist der polnische Schriftsteller Stanisław Lem, der sehr viel Science Fiction geschrieben hat. An seinen Geschichten hat mich vor allem fasziniert, dass er die Leserinnen und Leser immer in die Rolle der Fragenden bringt, um die Grenzen der menschlichen Erkenntnis aufzuzeigen. Man merkt bei seinen Geschichten außerdem, dass er selbst Wissenschaftler war und auch mit einer wissenschaftlichen Perspektive an die Themen herangeht. Und der Kern der Wissenschaft ist es eben auch, dass sie sehr häufig neue Fragen aufwirft und nicht immer Antworten liefert.

Finden Sie es generell wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst kommunizieren und nicht nur über ihre Institutionen?

Ja, das ist sehr wichtig, weil die Kommunikation nicht von der Wissenschaft getrennt werden kann und das sollte sie auch nicht. Da sollten aus meiner Sicht keine zwei Lager entstehen aus Forschenden auf der einen und Kommunikatorinnen und Kommunikatoren auf der anderen Seite. Und deshalb finde ich es wichtig, als Wissenschaftler direkt und selbst zu kommunizieren. Das ist auch eine Frage der Authentizität. Außerdem glaube ich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehr davon profitieren, ihre Forschung anschaulich zu vermitteln, weil man sich dabei selbst noch mal hinterfragt und auch besser mitbekommt, ob man selbst einen bestimmten Teil des Themas noch nicht vollständig durchdrungen hat. Nur dann kann man es nämlich auch einfach erklären. Es profitieren also beide Seiten davon, wenn die Forschung aktiv kommuniziert.

Wie finden es denn Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Wissenschaft, dass Sie jetzt ein Buch geschrieben haben?

Die Rückmeldungen sind sehr positiv. Ich habe es ja über einen sehr langen Zeitraum geschrieben und viele Leute haben mich dabei unterstützt. Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, denen ich immer mal wieder Teile des Manuskripts gezeigt habe. Das hat mir sehr geholfen und mich auch ermutigt, es wirklich fertig zu schreiben.

Haben Sie auch andere Kommunikationsformate ausprobiert?

In erster Linie auf Konferenzen und Tagungen, wo ich auch immer versuche, meine Vorträge allgemein verständlich zu halten. Andere Formate habe ich noch nicht so richtig für mich entdeckt. Das ist auch eine Zeitfrage. Schreiben war schon immer mein Ding und deshalb war es aus meiner Sicht auch der richtige Kommunikationskanal für mich.